
Wie sich der Brexit auf Deinen Handel mit JTL-Software auswirkt
Als Großbritannien die Europäische Union verlassen hat, war schnell klar: Für Onlinehändler würde sich einiges ändern. Besonders betroffen sind Händler, die mit Warenwirtschaftssystemen wie JTL-Wawi arbeiten und ihre Produkte in beide Richtungen – also sowohl nach Großbritannien als auch von dort in die EU – liefern. Denn seit dem Brexit wird das Vereinigte Königreich zoll- und steuerrechtlich als Drittland behandelt. Das hat weitreichende Auswirkungen auf Versand, Steuern, Buchhaltung und Retouren.
Doch was genau bedeutet das für Dich als JTL-Nutzer? Welche Einstellungen musst Du in Deiner Warenwirtschaft anpassen? Und wie kannst Du sicherstellen, dass Deine Prozesse weiterhin effizient ablaufen? In diesem Artikel zeige ich Dir, was sich verändert hat – und wie Du Deine JTL-Wawi optimal auf die neuen Bedingungen vorbereitest.
Der Brexit und seine konkreten Folgen für Onlinehändler
Seit dem 1. Januar 2021 ist der Brexit vollständig wirksam. Großbritannien gehört nicht mehr zum EU-Binnenmarkt und ist nicht mehr Teil der Zollunion. Damit gelten für den Warenverkehr zwischen der EU und UK nun dieselben Vorschriften wie für den Handel mit jedem anderen Drittland – beispielsweise den USA oder der Schweiz.
Für Dich als Händler bedeutet das unter anderem:
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Pflicht zur Zollanmeldung für jede Warensendung nach UK und zurück.
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Zolltarife und Warenklassifikationen müssen korrekt angegeben werden.
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Steuerliche Registrierungspflichten in UK, wenn Du dort Waren verkaufst oder lagerst.
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Zusätzliche Versandinformationen müssen bereitgestellt werden.
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Veränderte Rücksendeprozesse, da Rückwaren als Reimport gelten.
All das macht das Tagesgeschäft deutlich komplexer – vor allem, wenn Du bisher auf unkomplizierte grenzüberschreitende Lieferungen gewohnt warst. Gerade bei automatisierten Prozessen über JTL-Wawi ist es wichtig, das System an die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen.
JTL-Wawi fit machen für den Brexit
Das Schöne an JTL-Wawi ist: Es ist sehr anpassungsfähig. Du kannst fast jeden Geschäftsprozess individuell gestalten. Doch gerade deshalb ist es entscheidend, die richtigen Einstellungen zu kennen und sauber umzusetzen. Schauen wir uns die wichtigsten Punkte an, die Du prüfen solltest.
Großbritannien als Drittland konfigurieren
Vor dem Brexit war UK in JTL-Wawi üblicherweise als EU-Land hinterlegt. Das muss sich jetzt ändern. Damit steuerliche und logistische Abläufe korrekt funktionieren, solltest Du UK wie ein Drittland behandeln:
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Passe die Ländereinstellungen in JTL-Wawi an und entferne UK aus der EU-Zuordnung.
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Erstelle eine eigene Steuerzone für Drittlandsverkäufe, zu der auch UK gehört.
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Definiere die Umsatzsteuerbehandlung neu – zum Beispiel als steuerfreie Ausfuhrlieferung bei Verkäufen an Endkunden in UK, sofern Du dort nicht steuerlich registriert bist.
Wenn Du in UK eine eigene steuerliche Registrierung (z. B. eine britische VAT-ID) besitzt, müssen Lieferungen nach UK in vielen Fällen mit britischer Umsatzsteuer fakturiert werden. Auch das lässt sich in JTL-Wawi abbilden – über eine Kombination aus Länderabhängiger Kundengruppensteuer und entsprechenden Steuerklassen.
Steuerliche Details korrekt erfassen
Die Abwicklung von Drittlandverkäufen bringt zusätzliche Komplexität in die Steuerbehandlung. Du solltest Deine Steuerzonen und -klassen in JTL-Wawi so gestalten, dass sie alle möglichen Geschäftsfälle abbilden:
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Endkundenbestellungen aus UK ohne britische VAT-ID: steuerfreie Ausfuhrlieferung.
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B2B-Verkäufe mit gültiger UK-VAT-ID: ebenfalls steuerfrei, aber dokumentationspflichtig.
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Verkäufe über Amazon UK mit Lagerbestand vor Ort: in der Regel mit britischer Umsatzsteuer.
JTL-Wawi bietet Dir die Möglichkeit, USt-IDs zu prüfen, Steuerklassen automatisch zuzuweisen und Rechnungsdokumente entsprechend zu gestalten. Diese Möglichkeiten solltest Du nutzen, um auch bei einer Betriebsprüfung auf der sicheren Seite zu sein.
Zollinformationen vollständig integrieren
Einer der größten Stolpersteine beim Handel mit UK nach dem Brexit ist die Zollabwicklung. Bei jedem Export und Import musst Du vollständige Informationen an den Versanddienstleister oder Zoll übermitteln. Dazu gehören:
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Zolltarifnummer (HS-Code): Sie bestimmt den Zollsatz und die Abfertigungsdetails.
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Ursprungsland der Ware: Wichtig für Zollvergünstigungen oder Handelsabkommen.
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Exakter Warenwert und Beschreibung: Zur korrekten Zollberechnung.
In JTL-Wawi kannst Du all diese Angaben artikelbezogen hinterlegen. So stellst Du sicher, dass sie bei der Erstellung von Versandetiketten oder Exportpapieren automatisch eingefügt werden. Nutzt Du eine Versandlösung wie JTL-Shipping, kannst Du den gesamten Prozess von Etikettenerstellung über Zolldokumente bis zur Übergabe an den Paketdienst zentral steuern.
Rücksendungen aus UK strategisch lösen
Eine oft unterschätzte Herausforderung sind Retouren aus Großbritannien. Denn Rücksendungen gelten nun ebenfalls als Einfuhren – mit allen zollrechtlichen Konsequenzen. Die wichtigsten Punkte:
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Rücksendungen können zoll- und mehrwertsteuerpflichtig sein, je nach Warenwert und Deklaration.
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Versanddienstleister fordern vollständige Zolldokumente auch bei Rückwaren.
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Du solltest eigene Retourenprozesse für UK-Kunden definieren, idealerweise mit separatem Retourenlager und automatisierter Bearbeitung.
In JTL-Wawi kannst Du dafür z. B. ein eigenes Lager für UK-Retouren anlegen und über Workflows steuern, wie Rücksendungen verbucht, geprüft und ggf. wieder eingelagert werden. Auch Retourenformulare oder Vorab-Labels lassen sich automatisieren – was Deinen Kunden den Rückversand erleichtert und Dir administrative Arbeit abnimmt.
Amazon, EFN & Multichannel: So meisterst Du den Brexit mit JTL
Während sich viele Händler auf die neue Rechtslage im Direktversand nach Großbritannien einstellen mussten, bringt der Brexit vor allem für Multichannel-Händler zusätzliche Komplexität mit sich. Wenn Du Deine Produkte über Plattformen wie Amazon, eBay oder andere Marktplätze verkaufst und auf Fulfillment-Services zurückgreifst, musst Du zahlreiche Änderungen in Deinen Prozessen und in JTL-Wawi berücksichtigen.
Besonders im Fokus steht dabei Amazon mit seinen Programmen FBA (Fulfillment by Amazon) und dem EFN (European Fulfilment Network), die durch den Brexit strukturell getrennt wurden. Doch auch die direkte Anbindung von Online-Shops und Marktplätzen erfordert neue Denkmuster – sowohl organisatorisch als auch technisch.
Amazon EFN und der harte Schnitt zum UK-Markt
Vor dem Brexit war das Amazon EFN ein echtes Effizienz-Wunder: Du konntest Deine Ware z. B. an ein Zentrallager in Deutschland schicken, und Amazon übernahm den Versand in nahezu alle EU-Länder – inklusive Großbritannien. Mit dem Brexit ist diese Freiheit Geschichte. Heute gilt:
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Amazon darf keine grenzüberschreitenden EFN-Lieferungen zwischen der EU und UK mehr durchführen.
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Willst Du britische Kunden weiterhin über FBA beliefern, musst Du separate Ware in ein Amazon-Lager in Großbritannien schicken.
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Das wiederum bedeutet: Einfuhrverantwortung, Zollabwicklung und steuerliche Registrierung in UK liegen nun bei Dir.
JTL-Wawi unterstützt Dich bei dieser Neustrukturierung, wenn Du Deine Lagerhaltung sauber trennst. Du solltest ein eigenes Lager für UK-Bestände anlegen, das klar vom EU-Bestand abgetrennt ist. So kannst Du gezielt steuern, welche Artikel wo verfügbar sind – sowohl für Deinen Shop als auch für Amazon.
Mit der Erweiterung JTL-eazyAuction kannst Du zudem eigene Einstellungen für Amazon UK definieren – z. B. welche Artikel dort gelistet werden, mit welchen Preisen und welchen Lieferbedingungen. Die Voraussetzung: Deine Bestandssynchronisation muss getrennt laufen, um Engpässe oder Doppelverkäufe zu vermeiden.
Steuerliche und rechtliche Anforderungen in UK
Sobald Du Lagerbestand im Vereinigten Königreich unterhältst, gelten für Dich dort umsatzsteuerliche Pflichten. Das bedeutet konkret:
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Du brauchst eine britische Umsatzsteuer-ID (UK VAT).
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Du musst regelmäßig Umsatzsteuererklärungen abgeben – auch wenn Du in Deutschland ansässig bist.
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Amazon verlangt die Angabe Deiner UK-VAT-ID, bevor Du FBA in Großbritannien nutzen darfst.
In JTL-Wawi kannst Du für UK eigene Steuerregeln hinterlegen. Das umfasst etwa:
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Steuerzonen für Lieferungen nach UK
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Kundengruppensteuer nach Region oder Lieferadresse
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abweichende Umsatzsteuersätze, falls sich diese regional unterscheiden (z. B. bei Sondersteuersätzen in Nordirland)
Wenn Du mit einem Steuerberater oder einem VAT-Dienstleister arbeitest, kannst Du die Daten aus JTL-Wawi automatisiert exportieren – etwa über JTL-Ameise oder eine Schnittstelle zu Deinem Buchhaltungsprogramm. Damit reduzierst Du Fehler und sparst Dir manuelle Aufwände.
Multichannel-Vertrieb mit neuen Regeln
Auch abseits von Amazon bringt der Brexit Herausforderungen für Deinen Multichannel-Vertrieb. Verkaufsplattformen wie eBay, Kaufland Global, Etsy oder Dein eigener Online-Shop benötigen jeweils eigene Versand- und Steuerlogiken, wenn Du weiterhin an britische Kunden verkaufen möchtest. Folgende Punkte solltest Du in JTL-Wawi unbedingt berücksichtigen:
Versandarten nach UK definieren
Nicht jeder Versanddienstleister liefert problemlos nach Großbritannien – und nicht jeder Kunde ist bereit, hohe Versandkosten oder Zollgebühren zu zahlen. Deshalb solltest Du in JTL-Wawi spezifische Versandarten für UK-Kunden anlegen:
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Versandkosten klar und transparent hinterlegen
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längere Lieferzeiten einplanen
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Sendungsverfolgung und Zolldokumente integrieren
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optional DDP-Versand (Delivered Duty Paid) anbieten, um dem Kunden Zollstress zu ersparen
Diese Versandarten kannst Du gezielt bestimmten Ländern oder Kundengruppen zuweisen und über Regeln oder Workflows automatisch anwenden.
Eigene Preis- und Steuerlogik für UK
Aufgrund zusätzlicher Kosten für Zoll, Lagerhaltung und Steuern kann es sinnvoll sein, Deine Preise für UK anzupassen. In JTL-Wawi lässt sich das über Preisgruppen lösen – z. B. „VK UK“, die bei bestimmten Länderkonstellationen automatisch greifen.
Zusätzlich kannst Du abweichende Rechnungs- und Liefervorlagen für britische Kunden gestalten – mit entsprechenden Steuerkennzeichnungen, Zollinformationen oder länderspezifischen Hinweisen.
Retourenmanagement auf neue Beine stellen
Wie schon in Teil 1 erwähnt, stellen Rücksendungen aus UK eine besondere Herausforderung dar. In JTL-Wawi kannst Du mit Hilfe von eigenen Retourenlagern, automatisierten Workflows und Statusregeln ein effektives Rücksende-Management etablieren:
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Rückwaren aus UK gehen in ein separates Lager.
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Dort werden sie geprüft und ggf. manuell oder automatisch wieder eingebucht.
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Du kannst für UK-Retouren spezifische Regeln definieren – z. B. ob die Ware überhaupt wiederverwertet werden darf.
Je nach Geschäftsmodell kann es sich lohnen, mit einem Logistikpartner vor Ort in UK zu arbeiten. Dieser kann Rücksendungen bündeln, prüfen und ggf. erneut versenden – ohne, dass Du jede Einzelretoure wieder importieren musst.
Fazit: Mit der richtigen JTL-Strategie durch den Brexit-Dschungel
Der Brexit hat den Onlinehandel mit Großbritannien zweifellos komplizierter gemacht. Wo früher einfache EU-Versandlogik reichte, sind heute Zolldokumente, steuerliche Sonderregelungen und logistische Extrastrecken nötig. Doch mit JTL-Wawi hast Du ein System zur Hand, das Dir trotz dieser Komplexität viele Wege offenlässt – vorausgesetzt, Du nutzt seine Möglichkeiten gezielt.
Was Du mitnehmen solltest:
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Großbritannien ist zollrechtlich ein Drittland – also auch in Deiner JTL-Wawi entsprechend zu behandeln.
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Amazon-FBA und EFN funktionieren nur noch mit getrennten Lagerbeständen – eine saubere Trennung ist Pflicht.
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Steuerliche Pflichten in UK erfordern eine lokale Registrierung, passende Steuersätze und exakte Dokumentation.
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Multichannel-Händler müssen Versandarten, Preise und Prozesse auf UK abstimmen – von der Bestellung bis zur Retoure.
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Automatisierung, Workflows und exakte Artikelstammdaten sind entscheidend, um effizient zu bleiben.
Mit einem durchdachten Setup in JTL-Wawi und der Bereitschaft, neue Prozesse zu etablieren, kannst Du auch nach dem Brexit erfolgreich in Großbritannien verkaufen – sicher, professionell und kundenorientiert.